Eine häufige Frage
„Sandra, du hast doch Erfahrung mit Marktrecherchen. Wie würdest du eine Untersuchung für Markt X oder Produkt Y angehen? Aber ich will nicht so eine aufgeblähte monatelange Untersuchung. Ich brauche das Ergebnis schnell.“ Solche oder ähnliche Fragen wurden mir zum Thema Marktrecherche oft gestellt.
Und tatsächlich habe ich rückblickend unzählige solcher Projekte durchlaufen: zu Beginn meiner Marketing-Laufbahn als Projekt-Assistentin, später in eigener Regie als Mitglied der konzerninternen Strategieberatung oder zuletzt auch in leitender Funktion als verantwortliche Direktorin des europäischen Business Developments. Man möchte meinen, ich kenne sie alle, die großen und kleinen Projekte, die unterschiedlichen Erwartungen und Kunden – Marketing-Peers, Sales-Verantwortliche oder auch das Unternehmensmanagement. Mal ging es um Markteintrittsanalysen, mal um Neukundengewinnung oder auch eine Analyse des Wettbewerbs. Die Fragestellungen und Schwerpunkte waren unterschiedlich; die Herangehensweise, die ich dabei verwende, habe ich über die Jahre hinweg erprobt und verfeinert; die Tools und die Methodik aber sind nahezu gleichgeblieben. Am Ende geht es hier um nicht mehr oder weniger als das strategische „Recherche-Einmaleins“ – die Essentials, die sich für jeden Unternehmer lohnen zu verinnerlichen.
Eine gute Zeit
Wann ist eine gute Zeit für Recherchen? Eigentlich immer! Manchmal kommen solche Anfragen kurzfristig. Vielleicht ist es eine Idee basierend auf einem Gespräch mit einem Kunden, vielleicht aber auch eine Inspiration, die ein Mitarbeiter von einer Konferenz oder bei der Lektüre von Fachzeitschriften mitgenommen hat. Oder das Management möchte die nächsten strategischen Schritte absichern. So eine Marktrecherche kann – die nötigen Resources vorausgesetzt – natürlich zu jeder Zeit durchgeführt werden.
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Grundsätzlich ist der Spätsommer aus meiner Erfahrung eine beliebte und gute Zeit für Recherchen. Das erste halbe Jahr ist rum. Und im B2B Bereich ist oft vor allem das 2. Quartal sehr intensiv. Über den Sommer werden neue Energien gesammelt und erste Reflektionen erstellt. Wo stehen wir aktuell? Wo landen wir am Ende des Jahres, wenn es so weiter geht? An welchen Stellschrauben können wir noch drehen, um im 2. Halbjahr etwas positiv zu verändern? Zumindest in kurzfristig agierenden Märkten ist das machbar. Außerdem steht nicht selten im August oder September bereist die Budgetplanungsphase für das kommende Geschäftsjahr an. Die Ergebnisse von schnellen Checks oder Marktanalysen bzw. deren Implikationen für Ressourcen(-umverteilungen) könnten im Budget noch rechtzeitig mit eingebaut werden.
Eine gute Struktur
Gerade wenn es bei einer Recherche um die Ableitung von Handlungsempfehlungen und einen Beitrag zur Entscheidungsfindung geht, ist eine klare Struktur und Präsentation der erarbeiteten Inhalte bedeutsam.
Ganz konkret sollte zum Beispiel zu Beginn einer jeden Recherche der Umfang der Studie klar festgehalten werden. Und zwar schriftlich, und von allen Beteiligten abgesegnet. Ansonsten kann es leicht passieren, dass es nachher zu Rückfragen und Kommentaren wie „Warum habt ihr das denn gar nicht bedacht?“ oder „Das Ergebnis scheint mir fehlerhaft, denn hier fehlt dieser oder jener Aspekt völlig!“ kommt. So was will keiner, vor allem nicht bei der Abschluss-Präsentation fürs Management vor versammelter Mannschaft.
Es kommt vor, dass die Recherche keinen klaren Fokus hat, wie das z.B. bei einer Kunden- oder Konkurrenzanalyse der Fall ist. Bei einer generellen Marktrecherche ist der Blickwinkel weiter und es gilt einen umfassenden, aber dennoch kurzen Rundumblick zu geben. Wir bei panorama marketing nennen das die 360° Marktanalyse.
Sie folgt einer klaren Methode: Ausgehend vom relevanten Markt und anhand zuvor definierter Kriterien wird nicht nur der Zielmarkt und sein Potential untersucht, sondern auch beeinflussende Trends und sämtliche wesentliche Marktteilnehmer vom Kunden über Wettbewerb bis hin zum eigenen Unternehmen durchleuchtet.
Eine gute Darstellung
Bei der Vielzahl an möglichen Quellen und Informationen kann es schwierig werden den Überblick zu behalten. Ein gutes Ordnersystem oder auch eine einfache Exceldatenbank helfen dabei, die Daten zu strukturieren. Und dann direkt die nächste Herausforderung: das Ganze in ein gut präsentierbares Format bringen. Meistens endet alles in einer Power Point Präsentation.
Power Point TIPP 1 „Bedenke die Interessen des Publikums. Ein Raum voller Ingenieure reagiert anders auf die Folieninhalte als Vertriebsmitarbeiter oder Topmanagement. Inhalte sollten so adaptiert werden, dass jeder wesentliche Zuhörer abgeholt wird.“
Denken Sie jedoch auch daran andere Formate zu nutzen etwa Excel für Datenbanken über Konkurrenz und alternative Produkte, Worddokumente für die Gesprächsführung mit möglichen Interviewpartnern. Nicht immer ist Power Point die beste Wahl, da einem das einschränkende Format und Designfragen unter Umständen an der verständlichen Übermittlung der Information hindern kann.
Zentrales Element, und doch häufig vergessen wird ein „Executive Summary“, sowie eine Folie mit Empfehlungen für die nächsten Schritte. Zum einen haben Sie hier die Möglichkeit ihr gesammeltes Wissen kompakt rüberzubringen, zum anderen trägt die abschließende Zusammenfassung zum besseren Verständnis bei und bleibt leichter in Erinnerung. Ihr Management und Kollegen werden es Ihnen danken.
Power Point TIPP 2 „Gerade bei Präsentationen fürs Management gilt es den roten Faden nicht zu verlieren und sich auf die wesentlichen Aussagen zu beschränken. In die Folienüberschrift gehört die Kernaussage der Folie – nicht ‚was‘ man sieht, sondern die Message. Die Unterzeile kann dann für das Thema der Folie genutzt werden. Der restliche Text für Details.“
Eine Quelle, viele Möglichkeiten
Aber wie an die ganzen Informationen kommen? Hier ist tatsächlich das Internet eine wunderbare und endlose Informationsquelle, wenn man sie zu nutzen weiß. Neben Google gibt es viele weitere Suchmaschinen. Es lohnt sich durchaus die Suchmaschine auch mal zu wechseln bzw. mehrere parallel zu nutzen, da tatsächlich andere Ergebnisse priorisiert und angezeigt werden. Zu empfehlen sind neben den üblichen Verdächtigen wie Bing und speziell für Deutschland Fireball aus meiner Sicht auch solche mit nachhaltigen und ethischen Visionen wie Ecosia.
Aber hier sind sie nun: Meine 12 besten Tipps für die Online-Recherche für einen B2B-Markt:
#1 Suchmaschinen – Bevor Sie eine Suche starten, erstellen Sie eine Liste von Schlüsselwörtern und Variationen Ihrer Schlüsselwörter. Denken Sie neben Englisch auch an die verschiedenen Sprachen, die für Ihren Markt oder Ihre Region relevant sind.
#2 Branchenveranstaltungen und -ausstellungen – Suchen Sie nach Websites, die Listen von Ausstellern und Marktnachrichten enthalten. Weltweite Veranstaltungen finden Sie auf expodatabase.com.
#3 Publikationen und Fachzeitschriften – Hier finden Sie hauptsächlich Informationen über neue Produkte, Vorschriften und allgemeine Entwicklungen. Einen guten Überblick für Deutschland gibt z.B. genios.de.
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#4 Lieferantenportale und -datenbanken – Nutzen Sie gängige Datenbanken für Ihre Suche und wenden Sie sofern möglich Filter an, z.B. industrystock.de, wlw.de oder europages.com.
#5 Verbände, Institutionen und Ministerien – Scannen Sie Websites und Dokumente nach wertvollen Informationen über Mitglieder sowie Statistiken, technische Informationen und allgemeine Marktdaten. Prüfen Sie insbesondere auch Pressemitteilungen auf aktuelle Informationen.
#6 Bildersuche rückwärts – Verwenden Sie Produkt- oder Anwendungsbilder in der Suchmaschinen-Bildersuche, um ähnliche Bilder zu finden.
#7 Distributoren, Einzelhändler und Ebay – Identifizieren Sie ähnliche Produkte, Marken, Hersteller und deren Herkunftsländer in einem bestimmten Segment.
#8 Soziale Medien – Prüfen Sie auch soziale Medienkanäle, Blogs und Portale, um nach wichtigen Akteuren, Themen, Nachrichten, Geschäftseinblicken und Kontakten zu suchen, z. B. LinkedIn, YouTube, Facebook oder Instagram.
9# Auskunfteien und Großbanken – Schauen Sie bei Investmentbanken und Agenturen wie Dun & Bradstreet nach Geschäftsdaten und analytischen Einblicken, z. B. in Bezug auf Umsätze oder die Anzahl der Mitarbeiter.
10# Geschäftsberichte – Nutzen Sie Geschäftsberichte oder Investoren-News bei der Suche nach Marktgrößen und Ausblicke. Je nach Größe und Rechtsform eines Unternehmens variiert die Veröffentlichungspflicht für Geschäftsberichte. Für deutsche Unternehmen ist bundesanzeiger.de eine gute Datenbank für öffentliche Geschäftsberichte.
11# Statistikdienste – Checken Sie das Angebot und die Erhebungen von Statistikdiensten wie Statista und DESTATIS (für Deutschland). Diese können zum Teil kostenlos abgerufen werden.
12# Marktforschung aus dem Bestand – Prüfen Sie die Möglichkeit bereits existierende Berichte zu erwerben. Internationale Marktforschungsunternehmen bieten Reports zu fast jedem Thema und jeder geografischen Region an. Manchmal reichen die in den Zusammenfassungen bereitgestellten Informationen bereits aus. Für Details oder ausgewählte Regionen können spezielle Angebote vereinbart werden.
Power Point TIPP 3 „Quellenangaben sind für mich ein Muss. Zwar ist eine Recherche keine Doktorarbeit, aber Quellenangaben geben Autorität und ermöglichen anderen die Weiterarbeit. Entweder in die Foliennotizen, besser noch direkt in die Fußnote.“
Eine gute Ergänzung: die Primärrecherche
Sämtliche hier aufgeführten Tipps und Tricks beziehen sich auf die Sekundärrecherche – also die Suche nach online (oder offline) bereits verfügbaren Informationen. Die Ergänzung durch Primärinhalte, kann einer Recherche eine ganz neue und interessante Dimension geben. Und das muss nicht immer langfristig, umständlich und teuer sein.
Primäre Marktforschung – ist die Ermittlung von neuen, nicht bereits vorhandenen Informationen aus erster Hand. Grundsätzlich geschieht sie durch Befragung, Beobachtung, Experimente und Panels. Während groß angelegte Befragungen, Experimente oder auch Beobachtungen vor allem aus dem Bereich B2C bekannt sind, möchte ich für den B2B Bereich besonders auf das Potential der schnellen Befragung von ausgewählten Experten hinweisen. Diese Experten oder auch „Subject Matter Experts“ können direkt über eventuell bestehende firmeninterne oder externe Kontakte, Netzwerke, Branchenevent wie Messen und Konferenzen oder auch immer mehr über die sozialen Medien angesprochen werden.
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In Form eines einfachen Fragebogens, der per Mail oder Link verschickt wird – oder auch durch ein telefonisch geführtes Interview. „Subject Matter Experts“ können u.a. auch mit der Hilfe von Agenturen vermittelt werden. Dieses sind ursprünglich zumeist Dienstleister aus der Finanzbranche und auch dementsprechend aufgestellt. Doch einige haben den Bedarf von Unternehmen erkannt und bieten entsprechende Deals an.
Und schon in den Startlöchern? Was sind Ihre größten Herausforderungen beim Thema Marktrecherche? Lassen Sie es uns wissen, wir freuen uns auf Ihre Kommentare!