Schon interessant was ich so angezeigt bekam, als ich den Begriff „Marketing“ in die Keyword-Recherche eingegeben habe. Ganz weit oben stand „Influencer“, gefolgt von Begriffen wie „Online Marketing“, „Digitales Marketing“ und „Performance Marketing“, und ganz schnell dann auch „Social Media“ sowie die Abkürzungen „SEO“ und „SEA“. Aber „ganzheitliches Marketing“? Weit gefehlt. Der Begriff wirkt gegen die hippen Schlagworte auch etwas angestaubt, wie aus einer anderen Zeit. Ist 2021 der ganzheitliche Ansatz nicht mehr zeitgemäß? Die Priorisierung der Suchbegriffe zumindest erweckt den Eindruck, Marketing definiert sich heute ausschließlich digital und sozial. Wie also stelle ich mein Marketing auf, um erfolgreich zu sein? Bringt der althergebrachte ganzheitliche Ansatz noch Mehrwert in unserer schnelllebigen Zeit? Ist die „Ganzheitlichkeit“ von gestern oder doch ein Evergreen?

Da fällt mir eine Anekdote zu einem ähnlich klingenden Begriff ein: der „Nachhaltigkeit“:
Es kommt mir vor wie gestern, als vor gut 16 Jahren unserem Team das geplante Thema für unseren Stand auf der nächsten internationalen Industriemesse präsentiert wurde: „Sustainability“. Großartig, dachten wir im ersten Moment, klingt modern – endlich mal etwas anderes als „Innovation“ und „Kompetenz“. Aber was heißt das denn eigentlich auf Deutsch? „Nachhaltigkeit“? Huch! Wir waren uns schnell einig: Das versteht (noch) niemand. Das müssen wir erklären, umschreiben oder vielleicht doch lieber ein anderes Thema finden. Die Zeit war damals noch nicht reif. Für den Moment und die industrielle Branche stimmte das vielleicht sogar. Heute ist der Begriff „Nachhaltigkeit“ längst in der Industrie angekommen. Spätestens seit der „Fridays for future“ Bewegung und der globalen Diskussion um Klimawandel sind nachhaltige Ansätze aus unser aller Leben nicht mehr weg zu denken. Und der Begriff „Nachhaltigkeit“, er ist heute voll im Trend und ohne jegliche Erklärungsnot.

Zurück zur „Ganzheitlichkeit“ – im B2B Marketing Kontext. Ist Ihnen klar was genau damit gemeint ist? Nun, zunächst einmal könnten Sie schlicht vermuten es geht bei der „Ganzheitlichkeit“ ums Ganze. Und tatsächlich:

Ganzheitliches Marketing ist …

… mehr als die Summer aller Teile

Klar, ich picke mir auch gern die dicksten Erdbeeren vom Kuchen. Aber macht nicht jede Zutat für sich, sondern erst das Zusammenspiel des knusprigen Bodens, fein aufeinander abgestimmter Schichten und ein zartes Topping die Torte perfekt? Genau! Und das ist für mich auch der Königsweg zum ganzheitlichen und damit erfolgreichen Marketing.

Definition von ganzheitlichem Marketing

Schon der amerikanische Professor und Consultant Philipp Kotler befand „Holistic Marketing recognizes that ‘everything matters’ with marketing and that a broad integrated perspective is necessary to attain the best solution”

Eine ganzheitliche Lösung ist nicht eindimensional, sondern vielschichtig und bedarf einer integrierten Perspektive. Alles ist wichtig. Der ganzheitliche Ansatz beruht auf der Annahme, dass das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile.

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… marktorientierte Unternehmensführung

Beim ganzheitlichen Marketing verhält es sich ähnlich wie bei der perfekten Torte – alle Bereiche des Unternehmens arbeiten als zusammenhängende Einheit. Marketing kann und ist viel mehr als eine taktische, vertriebsunterstützende Vermarktungsabteilung, die daran gemessen wird, wie schön eine Broschüre oder knackig eine Sales-Präsentation ist. Vielmehr ist mit Marketing die marktorientiere Unternehmensführung gemeint. Diese umfasst alle Funktionen und Abteilungen innerhalb einer Organisation. Marketingziele werden auf Unternehmensziele abgestimmt und ineinandergreifende Maßnahmen definiert. Dabei stehen bei der Zielplanung heute immer weniger die reinen Unternehmensinteressen, sondern vor allem die Bedürfnisse und Erfahrungen der Kunden im Zentrum. Denn nur wer bei seiner Planung den Blick von außen wagt, kann sich im harten und schnelllebigen Wettbewerb positiv von der B2B-Konkurrenz heben.

… der gesamte Marketing-Mix

Neben dieser integrierten organisatorischen Perspektive, bedeutet ganzheitliches Marketing auch die Planung und Verknüpfung sämtlicher Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen. Das ist zuweilen komplex. Es verhindert jedoch Eindimensionalität und Aktionismus, erhöht die Effektivität und schont am Ende wertvolle Ressourcen. So beschränkt sich ganzheitliches Marketing nicht auf ein einzelnes Marketinginstrument, eine Maßnahme oder einen Kanal wie etwa das Online-Marketing oder Influencer Marketing, sondern bezieht den gesamten Marketing-Mix mit ein. Marketern ist das Konzept auch als die „4 Ps“ bekannt.

Die 4 Ps sind ein Kürzel für Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik. Im englischen Original sind das: Product, Price, Place and Promotion. Die 4 Anfangsbuchstaben ergeben somit die vier P.

Product
Ihr Produkt einschließlich aller Merkmale und Vorteile. Welche Spezifikationen, welches Design, welche Qualität passt zu den Bedürfnissen Ihrer Kunden?

Price
Ihre Preisstrategie und die Auswirkungen auf Ihre Kunden. Welcher Preis ist kostendeckend? Wieviel ist der Kunde bereit zu zahlen? Wie sind die Zahlungsmodalitäten?

Place
Bestimmung der Absatzkanäle sowie Produktions- und Geschäftsstandorte. Wie erreichen Sie ihre Kunden und wo?

Promotion
Kommunikationsmaßnahmen, die Ihre Kunden auf Ihr Angebot aufmerksam machen, wie etwa Werbung, Verkaufstaktiken und Direkt-Marketing.

Entscheidend bei dem Ansatz ist das Zusammenspiel des richtigen Produktes, das zum richtigen Preis, über den geeigneten Absatzkanal, mit den passenden Kommunikationsmaßnahmen auf den Markt kommt. Marketing ist somit nicht nur bei der Broschüre gefragt. Marketing beeinflusst neben der Kommunikation auch das Produkt- und Verpackungsdesign inklusive Entscheidungen über z.B. Material, Inhaltsstoffe und Qualität, die Preisgestaltung sowie die Auswahl der Vertriebswege.

Inzwischen gibt es neben ursprünglichen 4 Ps drei weitere:

People
Damit sind Ihre Mitarbeiter und Verkäufer gemeint. Ein exzellenter Kundenservice schafft positive Kundenerlebnisse.

Process
Prozesse im Zusammenhang mit der Lieferung von Produkten und Dienstleistungen. Wie leicht ist es, mit Ihnen Geschäfte zu machen?

Physical Evidence
Alles was der Kunde sieht, wenn er mit Ihrem Unternehmen agiert. Dazu gehören z.B. auch Ihre Innengestaltung und das Branding.

Ganz klar, die 4 Ps oder 7 Ps sind kein aktueller Trendbegriff – Evergreen oder Klassiker trifft es da schon besser. Schließlich stammt das Original aus den 1960gern. Aber wird Marketing heute so in der Industrie gelebt? Auch heute sind B2B Marketing-Abteilungen selten derart strategisch aufgestellt – unter 50% glaubt man aktuellen Studien. Oft sind die Abteilungen einfach zu klein oder es mangelt an Expertenwissen, um ein ganzheitlichen Maßnahmenpaket in-house umzusetzen.

… messbar

„Ganzheitlichkeit“ hat auch was von zu Ende denken. An Anfang steht die Planung, dann die Umsetzung und am Schluss die Messbarkeit des Erfolges anhand geeigneter Kennzahlen. Auch beim strategischen Marketing. Dabei will die Definition der Kennzahlen gut überlegt und abgestimmt sein mit den Unternehmenszielen. Der ganzheitliche Beitrag des Marketings wird so sichtbar. Maßnahmen und Ressourcen können kontinuierlich verbessert werden. Bei der Gestaltung der neuen Broschüre lässt sich über Geschmack im Zweifel endlos streiten, über Daten und die Zielerreichung von Kennzahlen nicht. Dank moderner Tools und Systeme wird die Messbarkeit im Marketing mittlerweile stark erleichtert. Besonders gut gelingt das, wenn sich strategisches und digitales Marketing verbünden. Systeme wie Customer Relationship Management (CRM) oder Content Management, eine Marketing-Automation Software oder teils sogar kostenlose Google-Analytics-Tools und Apps liegen im Trend und bieten jede Menge Analyse-Power.

So what?

Was bedeutet nun „ganzheitliches Marketing“? „Ganzheitliches Marketing“ definiert sich über ein gemeinsames messbares Ziel, sowie abgestimmte und ineinandergreifende Maßnahmen, die über die gesamte Organisation gedacht, und am Kunden ausgerichtet sind. Sämtliche Maßnahmen sollten am Ende ein möglichst einheitliches und nahtloses Kundenerlebnis ermöglichen

Und was ist der Vorteil für den B2B Marketer? Die Abstimmung im Unternehmen und der Blick aufs Ganze führt zu mehr Konsistenz in der Marktbearbeitung, und damit zu einer besseren Markenbildung. Die Messbarkeit der gezielten Maßnahmen führt zu höherer Effektivität und mehr Effizienz.

Aus unserer Sicht verlieren allerdings Unternehmen – egal ob groß oder klein – trotz bester Absichten im Marketing leicht den Blick fürs Ganze. Wechselnde Prioritäten oder knappe Ressourcen zwingen zum Fokus auf einzelne Maßnahmen. Nicht selten stehen in den Marketingabteilungen immer weniger Mitarbeiter immer komplexeren Aufgaben gegenüber. Da sind dann eher kurzfristige vertriebs-unterstützende Erfolge im Fokus. Ganzheitliches Marketing allerdings betrachtet sämtliche strategischen Aspekte und produziert somit langfristige und nachhaltige Erfolge, die sich auszahlen.

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Was denn nun – Trend, Evergreen oder von gestern?

Auch wenn sich die mediale Präsenz von „Ganzheitlichkeit“ und „Nachhaltigkeit“ im Laufe der Zeit geändert hat, die Konzepte dahinter sind beide topaktuell. Sie begegnen uns tagtäglich – auch außerhalb des Marketings. Denn nicht nur ermöglicht ein ganzheitlicher Ansatz nachhaltige Ergebnisse; auch die Nachhaltigkeit braucht nicht selten ganzheitliche Ansätze, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.

Schon gewusst? Bei aller Aktualität, die Begriffe sind beide nicht neu. Laut Wikipedia lässt sich der Begriff „Ganzheitlichkeit“ in der deutschen Sprache bereits vor dem 8. Jahrhundert nachweisen. Und „Nachhaltigkeit“? Auch nicht so frisch, wie ich damals dachte. Bereits 1713 wurde das Prinzip der „Nachhaltigkeit“ erstmals in deutschen Schriften als Verb, und 1832 dann als Substantiv im Hinblick auf ertragreiche und beständige Forstwirtschaft verwendet.

 

Fazit: Auch wenn die Begrifflichkeiten aus einer anderen Zeit stammen, ganzheitliches und nachhaltiges Marketing ist nicht von gestern. 


Es ist ein Evergreen und Bestseller.

Nachhaltigkeit, vielschichtiger als gedacht:

  • Eine PET-Flasche ist nicht zwangsläufig schlechter als Glas. Es kommt darauf an: Wie wird sie hergestellt, wie weit ist ihr Transportweg und wie oft wird sie benutzt?
  • Einer Plastiktüte werden durchschnittlich 10 Gramm CO2-Äquivalent (gCO2e) zugeschrieben, der vermeintlich umweltfreundlichen Alternative aus Papier allerdings das Vierfache.
  • Das Versenden einer einfachen E-Mail, verbraucht im Schnitt 4 Gramm CO2e durch die versteckten Emissionen beim Betrieb sowie der Herstellung von Computern und Rechenzentren. Eine Mail mit großem Anhang verursacht leicht 50 gCO2e.

Wie steht es um Ihren Marketingansatz? Wie ganzheitlich und nachhaltig ist ihr Marketing aufgestellt? Wir freuen uns über Ihre Meinung und Kommentare.

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